Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass viele Seelsorger:innen ihre Gottesdienste ins Internet verlegt haben. Was zunächst vor allem ein technischer und organisatorischer Aufwand ist, ist auch theologisch nicht ganz unbedenklich. Wie trotzdem gut und miteinander online Gottesdienst gefeiert werden kann, darüber denkt dieser Beitrag nach.
Theologische Vorüberlegung: wie geht virtuelle Gemeinschaft?
“Gottesdienst ist Menschendienst” – so wichtig das theologische Motiv der “Zweckfreiheit” des Gotteslobes ist, so berechtigt ist doch das Augenmerk auf eine Liturgie, die zum Mitfeiern einlädt und die die Seele erhebt. Wer als Verantwortlicher die Mitfeiernden im Blick behält, betreibt damit nicht bloß “Marketing” für seine Gemeinde, sondern stellt sich der missionarischen Aufgabe, Gottes Gegenwart auf eine gute Weise erfahrbar zu machen. Genau darum geht es nämlich: um die Frage nach der Gegenwart. Online Gottesdienste können hier nämlich auf die üblichen Erfahrungen von Präsenz nicht zurückgreifen, die sonst zur Gottesbegegnung in christlicher Gemeinschaft gehören. Zunächst gilt das ganz praktische für die Gottesdienstgemeinde: statt in der Kirchenbank neben mir sitzt der nächste Gottesdienstteilnehmer an einem unbekannten Ort, vielleicht sogar auf der anderen Seite der Welt. Händeschütteln, sich anlächeln, gemeinsam zum Gebet die Stimme erheben, miteinander singen oder schweigen – das alles ist online zunächst so nicht zu erleben. Gut ist es, wenn Menschen gestreamte Gottesdienste nicht alleine anschauen, sondern mit ein paar anderen gemeinsam. Ob nun im Gemeinschaftsraum eines Seniorenheimes oder im heimischen Wohnzimmer: zusammen ist immer besser. Wenn es jemanden gibt, der sich ein wenig dafür verantwortlich erklärt, kann dieser mit wenig Aufwand darauf achten, dass der Raum gut dafür geeignet ist, beispielsweise, dass nicht ständig Störungen auftreten, alle gut sehen und hören können.
Ästhetik von Online Gottesdiensten
Die nächste Herausforderung für Online-Gottesdienste sind die modernen Sehgewohnheiten: das Format “Bewegtbild” teilen sie sich mit Krimis, Action-Filmen, Komödien, Dramen, Serien, Nachrichten, Dokumentationen und vielem mehr. Allerdings sind Gottesdienste natürlich mehr als nur die x-te Staffel von “Jesus und seine 12 Anhänger”. Sie wollen nicht bloß informieren oder unterhalten. Sie wollen Beteiligung schaffen. Damit das gelingt, müssen sie aber zunächst ein gewisses Niveau erreichen, bei dem es überhaupt interessant bleibt, zuzusehen. Das ist gerade bei einer ruhigen Liturgie, bei der im Vergleich zum Tatort relativ wenig geschieht, eine beträchtliche Aufgabe. Wichtig ist, dass der Gottesdienst nicht bloß aus einer Perspektive gefilmt wird. So entsteht ein völlig statisches Raumgefühl, eine Art “Guckkasten”. Zwei oder drei Perspektiven (eine Totale auf den Kirchenraum, ein Halbportrait für das Pult des Sprechers, eine Perspektive auf den Altar aus der Nähe) reichen völlig und sollten auch nicht ständig wild abgewechselt werden. Ein ruhiger Video-Schnitt hat sich bewährt und kann für entsprechende Meditations-Momente durchaus mit relativ statischen Bildmotiven unterbrochen werden. Wer sich eine Stufe professionalisieren möchte, erstellt ein Regiebuch, in dem er vorab plant, zu welchem liturgischen Moment welche Perspektive aufgerufen werden soll. Oft genug fehlen dazu allerdings die nötigen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Moderne Video-Schnitt-Software wie etwa die unseres Partners Kerkbeamer erlaubt eine solche vorab-Planung und benötigt während des Gottesdienstes fast keine Bedienung.
Planung ist entscheidend
Sobald Gottesdienste nicht mehr nur “abgefilmt” werden, sondern etwas Mühe in die Planung gesteckt wird, lohnt es sich vor allem, einen fundamentalen Unterschied zu beachten: Es ist etwas völlig anderes, ob ein Gottesdienst live übertragen oder speziell für eine online-Ausstrahlung produziert wird. Das beginnt bei der Sprechrichtung – zum Publikum oder in die Kamera. Und das geht weiter mit so Themen wie “Bühnen-Set”, Stil der Veranstaltung, Garderobe (auch der Ehrenamtlichen), Kameraperspektiven etc. Dabei muss das Ideal professioneller Fernseh-Gottesdienste, wie sie die Rundfunkanstalten produzieren, gar nicht erreicht werden. Aber schon mit etwas Planung lässt sich eine deutliche Verbesserung spüren – gerade auch zu dem, was heute an leider oft mittelmäßigen Online-Gottesdiensten mit viel Herzblut schon verfügbar gemacht wird.
Audio – unterschätzte Komponente von Gottesdiensten online wie offline
Viel wichtiger noch als der optische Eindruck ist beim Gottesdienst-Streaming allerdings das Audio. Schlechte Mikrofone, die noch dazu in zu großer Entfernung die Sprecher:innen abnehmen sollen oder von der eigentlich guten Musik nur den Eindruck eines Gießkannen-Konzerts übrig lassen, zerstören jede Lust und Konzentration. Natürlich gilt aber auch das umgekehrte: ohne einen ansprechenden Inhalt, der die konkrete Situation der Mitfeiernden aufgreift – ohne eine gute Predigt – wird auch der Online-Gottesdienst nicht mehr Menschen begeistern, als am Sonntag in die Kirche kommen.
Plattform und Rechte-Management
Zum äußeren “Rahmen” eines Gottesdienstes ist schlussendlich auch die Plattform und das Rechte-Management zu beachten. (Siehe dazu auch unsere anderen Artikel zum Thema: Link1-Datenschutz und Link2-Streaming-Rechte) Wird der Stream schon mit unpassender Werbung eingeleitet oder gar durch solche unterbrochen, stört das die Andacht nachhaltig. Plattformen, die sich – wie unsergottesdienst – allein auf kirchliche Anbeiter spezialisiert haben, bieten meist ein angemesseneres Umfeld als die großen Streaming-Plattformen und sind zudem auf eine unkomplizierte Benutzung durch Gottesdienstteilnehmer:innen an PC, Smartphone oder TV abgestimmt.
Das Problem der Beteiligung aus theologischer Perspektive: Zeit für hybride Ansätze: Gottesdienst online und offline miteinander
Sind diese “technischen” und “organisatorischen” Einstiegshürden überwunden, bleibt trotzdem die Frage nach Präsenz und Beteiligung. Besonders prekär ist diese Frage, ob der Gottesdienst online gefeiert werden kann bei der Hochform der Liturgie, dem Abendmahl bzw. der Eucharistiefeier. Gerade die katholische Theologie verlangt die physische Gegenwart der Mitfeiernden.
Eine “Virtualisierung”, etwa, indem die Gläubigen zu Hause Brot und Wein bereitstellen, ist aktuell theologisch nicht denkbar, auch wenn die ganz strenge Auslegung, dass nur gewandelt wird, was auf dem Corporale, also dem kleinen Altartuch, steht, nicht mehr gültig ist. Dennoch bleibt die physische Präsenz und vor allem der Ritus des gemeinsamen Essens nicht virtualisierbar: Bits und Bytes schmecken nicht. Sie sind nur visuell aber nicht “ganzheitlich” erfahrbar! Gottesdienste leben vom gemeinsamen Feiern – und das lässt sich zeitlich gar nicht, örtlich nur bedingt aufteilen. Klar können Predigten auch später angehört werden – der Feier-Kontext geht dabei aber verloren. Katholische Eucharistie-Feiern dürfen deshalb beispielsweise eigentlich auch nur live übertragen und nicht später “aus der Konserve” abgespielt werden. Viele Diözesen tun das dennoch und stellen die Gottesdienste dann als “Dokumentation” online. Wirklich “Mitfeiern” lebt aber gerade von dem Wissen, aktuell Teil einer – wenn auch virtuellen – Gemeinschaft zu sein, die ihre Seelen zum Gebet vereint.
Neue Chancen und Ideen: konkrete Tipps für den Ablauf des Gottesdienstes online
Insofern die Mitte des christlichen Glaubens die “Fleisch-Werdung” Gottes ist, es also gerade um eine konkrete, ja leibliche Erfahrung geht, die nicht nur im Geist, nicht nur virtuell stattfindet, können Online-Gottesdienste nie zum alleinigen Lösungsansatz werden. Andererseits – und das gilt für Eucharistie/Abendmahl wie für alle anderen Gottesdienstformen – bieten sich neue Chancen, Menschen überall und in ihren konkreten Lebenswelten anzusprechen. Gemeinden, die noch missionarisch sein wollen, dürfen sich dem Internet nicht verwehren und sich nun wieder hinter ihre Kirchentüren zurückziehen. Online-Gottesdienste bringen nämlich, gerade, was Teilnahme-Möglichkeiten angeht, ganz neue Möglichkeiten mit sich, Menschen niederschwellig anzusprechen. So ist schon die Hürde zur Teilnahme hinter einem Bildschirm deutlich geringer, als wenn ich mich der Beobachtung aller etablierten Gemeindemitglieder aussetzen muss.
Dem Thema der Beteiligung müssen sich Seelsorger:innen aber dennoch aktiv stellen. Für katholische Eucharistiefeiern gibt es in den Krankenhäusern längst die etablierte Praxis, dass die Kranken auf ihren Zimmern der Messe folgen können, die per Krankenhaus-TV übertragen wird – und im Anschluss bekommen sie, wenn gewünscht, Besuch durch den Klinikpfarrer oder eine “Kranken-Kommunion-Helferin”. Was spricht dagegen, dieses System auch auf Gemeinden anzuwenden und denen, die nicht physisch am Gottesdienst teilnehmen können auf diese Weise Beteiligung zu ermöglichen? Selbstverständlich wäre darauf nicht nur im Rahmen des Online-Gottesdienstes hinzuweisen, sondern z.B. durch einen kleinen Ritus der Aussendung diese “Kommunionhelfer” in die Gemeinde zu entsenden.
Solche Online-Offline-Schnittstellen müssen aber natürlich nicht immer so “hochliturgisch” sein. Schon für Andachten sind den kreativen Ideen keine Grenzen gesetzt
- Fürbitten, die unter einem bestimmten Hashtag als Twitterwall in den Gottesdienst eingeblendet werden,
- Gebete, die in einem kleinen Gottesdienst per Video-Konferenz reihum gesprochen werden,
- interaktive Predigten, die per Wordclouds visualisiert werden oder die gar per Chat Rückfragen erlauben,
sind erst der Anfang neuer Möglichkeiten, die die Virtualisierung bietet. Gemeinden, denen es gelingt, einen entsprechenden “hybriden” Ansatz aus Online- und Offline-Gottesdienesten zu gestalten haben in der Zukunft die größten Chancen, ihre Gemeindemitglieder zu erreichen und durch Beteiligung einzubinden; sei es nun konkret vor Ort, vielleicht sogar in der Aufnahmeleitung oder als Mitfeiernde übers Internet, z.B. auch aus dem Urlaub oder von der Geschäftsreise.