Das kirchliche Datenschutzgesetz war am 24.05.2018 noch kaum in Kraft getreten, da gab es einen Schock aus der Erzdiözese Freiburg: die dortigen Livestream-Gottesdienste aus dem Münster wurden kurzfristig abgesagt, weil die notwendigen rechtlichen Anforderungen so hoch seien, dass ein angemessener Datenschutz nicht praktikabel umgesetzt werden könnte – und man der Gefahr von Anzeigen aus dem Weg gehen wollte (Quelle: katholisch.de). Andere Diözesen und Landeskirchen streamten einfach weiter – und in der Corona-Pandemie sind viele Kirchengemeinden mit eingestiegen und bieten ihre Gottesdienste im Internet an. Wie geht das? Was ist aus datenschutzrechtlicher Sicht möglich, was nicht?
Evangelische Datenschutzpositionen
Zunächst ist zu sagen, dass sich mittlerweile ein gewisser Grundkonsens zwischen den verschiedenen Datenschutzaufsichtsbehörden etabliert hat, die in der Praxis zu recht ähnlichem Vorgehen führen. Die beiden kirchlichen Datenschutzgesetze – das evangelische Datenschutzgesetz (EKD-DSG) und das katholische Kirchliche Datenschutzgesetz (KDG) unterscheiden sich in den möglichen Rechtsgrundlagen je gerade an dieser Stelle: Während das EKD-DSG einen eigenen Paragraphen (§53) kennt, der Streaming von Gottesdiensten unkompliziert erlaubt, ist es für die katholischen Gemeinden etwas schwieriger – aber dennoch gut möglich – Gottesdienste ins Internet zu bringen.
„Die Aufzeichnung oder Übertragung von Gottesdiensten oder kirchlichen Veranstaltungen ist datenschutzrechtlich zulässig, wenn die Teilnehmenden durch geeignete Maßnahmen über Art und Umfang der Aufzeichnung oder Übertragung informiert werden.“ (EKD-DSG §53)
Was sich zunächst einfach und klar anhört, ist aber evangelischerseits in der Auslegung umstritten. So vertritt die Evangelischen Landeskirchen von Hannover relativ knapp die Position, dass Gottesdienstbesucher, die ggf. mitgefilmt werden, etwa mit Plakaten am Kircheneingang, informiert sein müssen und dass von Mitwirkenden vorab eine Einwilligung eingeholt werden muss. Nach Möglichkeit sind Bereiche anzubieten, in denen eine Teilnahme am Gottesdienst möglich ist, ohne im Stream aufzutauchen. Die EKD präzisiert diese Anforderung und erklärt auch den Grund aus EKD-DSG §52:
„Das Interesse an der nicht überwachten Teilnahme am Gottesdienst ist besonders schutzwürdig.“ (EKD-DSG §52)
Was dort für Video-Überwachung von Kirchenräumen gesagt wird, soll auch für Video-Streams gelten. Während Gottesdienstbesucher – hier sind katholische und evangelische Aussagen deckungsgleich – ohnehin am besten nur als Menge, maximal in der Halbtotalen und von hinten gezeigt werden sollten, sind Aufnahmen, die Menschen im Portrait etwa beim Empfang von Kommunion bzw. Abendmahl zeigen, für kirchliche Stellen völlig unzulässig – auch wenn man das von den Sonntagsgottesdiensten im ZDF so kennt. Die Fernsehsender agieren allerdings unter Presserecht und haben daher andere Regeln als Kirchengemeinden.
Während die Umsetzungsregel, dass Bereiche ausgewiesen werden, die von den Kameras nicht erfasst werden, in Hannover und Hessen-Nassau noch als “Kann”-Regelung formuliert wird, ist sie in den meisten anderen Landeskirchen – etwa der Landeskirche Württembergs – Pflicht:
„Wichtig ist, dass Gottesdienstbesucher weiterhin die Möglichkeit haben müssen, einen Gottesdienst zu besuchen, ohne aufgezeichnet zu werden. Das Interesse an der nicht überwachten Teilnahme am Gottesdienst ist besonders schutzwürdig.“ (Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg)
Mit Hinweis auf den Grundsatz der Datensparsamkeit fordern verschiedene Landeskirchen eine begrenzte Speicherzeit der Streams und geben zu bedenken, dass ein Verzicht auf das Filmen der Gottesdienstbesucher aus Datenschutzsicht noch immer die beste Lösung sei.
Federführend in der Auslegung rund um Online-Streams ist die Landeskirche Baden geworden, die allerdings eine recht strenge Rechtsauffassung vertritt. Sowohl die EKD als auch viele Landeskirchen, so z.B. die von Hessen-Nassau oder die Landeskirche im Rheinland haben deren Position für sich übernommen. Wichtig ist dort vor allem die Tatsache, dass neben das Datenschutzgesetz auch das Recht am eigenen Bild und das Urheberrecht/Leistungsschutzrecht mit bedacht werden.
Aus der Perspektive des Datenschutzes ist zunächst von allen, die die Kamera als Einzelne, aktiv Handelnde ins Bild setzt, zwingend eine Einwilligung erforderlich. Sind diese Minderjährig – für die Evangelische Kirche gilt 14, das Alter der Religionsmündigkeit, als einwilligungsfähiges Alter – muss eine Einwilligung beider Erziehungsberechtigter eingeholt werden.
Weiter gilt nach Auffassung der Landeskirche Baden, dass die Mitwirkenden jeweils eigene Einwilligungen nach dem Datenschutz, dem Leistungsschutz und dem Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) geben müssen.
„Von jeder Person, die vor oder hinter der Kamera steht, muss die a) Einwilligung zur Übertragung der jeweiligen Nutzungsrechte von aufgeführten Werken (Predigt, Texte, musikalische Darbietung, Tanz usw.) zur Verbreitung, Vervielfältigung und Veröffentlichung eingeholt werden, b) sowie die zur Schaustellung des eigenen Bildes. c) Zudem benötigt man die Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten, beispielsweise für das Einblenden des Namens.“ (Quelle: Evangelische Landeskirche Baden)
Nicht nur datenschutzrechtliche Fragen stellen sich hier also, sondern mit §22 KunstUrhG (Recht am eigenen Bild) auch die Anforderung, die Zustimmung zur Veröffentlichung des eigenen Bildes zu geben, sobald einzelne klar identifizierbar sind. Diese kann zwar, rechtlich betrachtet, auch stillschweigend oder konkludent gegeben werden; eine schriftliche Einwilligung hat aber immer den Vorteil, dass sie leichter zu dokumentieren ist. Gerade bei Minderjährigen ist sie zwingend einzuholen, was insbesondere für Chor-Sänger:innen u.ä. nicht vergessen werden darf. Der Verweis auf §23 KunstUrhG, nach dem Aufnahmen von Menschen dann ohne deren Einwilligung verwendet werden können, wenn diese etwa nur “Beiwerk” sind oder an Versammlungen teilnehmen, kann als Rechtsgrundlage für das Filmen der Gottesdienstgemeinde als Ganzer gelten, solange nicht einzelne aufgezoomt werden.
Die Datenschutzaufsicht der evangelischen Kirche schreitet hier gegen Verstöße ein, insofern sie ihr angezeigt werden. So weist deren Tätigkeitsbericht von 2019/2020 (Quelle: Datenschutz EKD) darauf hin, dass entsprechende Rechtsgrundlagen über §53 DSG-EKD hinaus gesucht werden müssen, sobald Gottesdienstbesucher eindeutig erkennbar abgebildet werden. Als Rechtsgrundlage wäre hier – neben der wenig praktikablen Lösung der Einwilligung an § 6, 4 und § 6, 8 DSG-EKD zu denken. Das “berechtigte Interesse” der verantworltichen Stelle darf aber – und das muss in einer vorhergehenden Interessenabwägung geprüft werden – nicht von den schutzwürdigen Interessen betroffener Personen überstiegen werden. Für Minderjährige ist das regelmäßig der Fall – diese gelten ja als besonders schutzwürdig, weshalb für sie immer eine Einwilligung einzuholen ist.
Katholische Rechtsauffassung
Damit klingt auch schon die Rechtsposition der katholischen Bistümer und Datenschutzaufsichten in Deutschland an, die sich nicht auf einen ähnlichen Paragraphen wie §53 EKD-DSG stützen können – dies aber auch nicht müssen. Das katholische Datenschutzzentrum geht ebenfalls davon aus, dass Mitwirkende und Personen, die eindeutig erkennbar im Bild sind, eine entsprechende Einwilligung abgeben müssen – für diese und insbesondere, wenn es sich um Minderjährige handelt – kann also nicht einfach auf eine Interessenabwägung zurückgegriffen werden. Gerade für Ministrant:innen oder Chorsänger:innen, die regelmäßig Dienst tun ist dabei mittlerweile aber eine einmalige Einwilligung für eine ganze Veranstaltungsreihe (also z.B. die regelmäßigen Sonntagsgottesdienste) denkbar. Anders als in der evangelischen Kirche gilt als Mindestalter für die eigenständige Einwilligung aber das 16. Lebensjahr.
Letztlich ist die Situation in den katholischen Bistümern mittlerweile relativ einheitlich. Die Bischofskonferenz hat eine FAQ herausgegeben, deren Nr. 15 Datenschutz-Fragen im Gottesdienst behandelt und – je nach Art der Veranstaltung – gleich zwei mögliche Rechtsgrundlagen für Online-Streaming bietet: Einwilligung und kirchliches Interesse bzw. kirchliche Aufgaben.
Betreffs der Einwilligung geht die Bischofskonferenz davon aus, dass informierte Gottesdienstteilnehmer:innen konkludente Zustimmung geben können, indem sie am Gottesdienst teilnehmen. Auf die Schriftlichkeit der Einwilligung könne nach §8, 2 KDG verzichtet werden:
„Dabei erscheint es vertretbar, über die Anwendung des § 8 Abs. 2 KDG zu einem Verzicht auf das Schriftlichkeitserfordernis zu gelangen. Das setzt aber voraus, dass auf den Umstand der Übertragung an allen Eingängen zu der Veranstaltung gut sichtbar schriftlich hingewiesen wird und für Personen, die nicht abgebildet werden möchten, übertragungsfreie Bereiche eingerichtet werden.“ (Quelle: Deutsche Bischofskonferenz – FAQ).
Für Gottesdienstbesucher, die nur gesammelt abgebildet werden, kann alternativ mit dem begründeten Interesse nach §6, 1 lit. f und §6, 1 lit. g argumentiert werden, nach dem die Datenverarbeitung im Zuge des Online-Streamings erlaubt ist, wenn die Produktion und Ausstrahlung im Rahmen der ERfüllung kirchlicher Aufgaben erfolgt, was wohl für katholische Eucharistiefeiern als gegeben vorausgesetzt werden kann, oder wenn
„die Verarbeitung […] zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich [ist], sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um einen Minderjährigen handelt.“ (§6, 1 lit. g KDG)
Auch hier wird zur Erfüllung des Grundsatzes der Datensparsamkeit empfohlen, im Gottesdienstraum Bereiche auszuweisen, die nicht gefilmt werden. Ein klar erkennbarer Hinweis auf die Aufnahme am Eingang ist genauso geboten wie der Verzicht auf Kamera-Einstellungen, die einzelne herausheben oder gar in höchstpersönlichen Momenten der Andacht zeigen.
Was die Einwilligung im Bezug auf Minderjährige angeht, hat sich mit der Veränderung der Rechtsauslegung der katholischen Datenschützer im April 2019 (Quelle: Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten) die Lage merklich entspannt. War zunächst noch für jedes einzelne Foto eine nachträgliche Freigabe durch beide Erziehungsberechtigte erwartet, ist jetzt etwa für Situationen, die unter den oben erwähnten §23 KUrhG fallen, auch bei Minderjährigen mit einer Interessensabwägung gemäß §6 1 lit. G KDG zu argumentieren, wobei diese insgesamt strenger auszufallen hat, insbesondere, was eine Verwendung erstellter Bilder in einer breiten Öffentlichkeit angeht. Jedenfalls kann die Einwilligung nun schon vor der Erstellung der Bilder und pauschal für eine Veranstaltung oder Veranstaltungsreihen gegeben werden. Das gilt analog auch für Video-Streaming. Sowohl die Interessenabwägung als auch die elterliche Einwilligung muss aber natürlich schriftlich dokumentiert werden.
Dass die Gottesdienstübertragungen nur zeitlich begrenzt im Internet abrufbar sein sollten, hat katholischerseits aber nicht nur datensparende Motive, sondern auch einen liturgierechtlichen Hintergrund: als Gottesdienst im eigentlichen Sinne, bei dem auch das Mitfeiern sinnvoll ist, gilt, darauf weist die Diözese Trier eindrücklich hin, nur der live-Stream. Aufzeichnungen, die länger im Netz bleiben, sind dann als “Dokumentation” auszuweisen. Der Grundsatz der Datensparsamkeit spräche auch hier dafür, die Messen nach Beendigung des Streams wieder aus dem Netz zu nehmen (Quelle: Bistum Trier). Dort wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass Gottesdienststreams, die eine gewisse Größe erreichen (regelmäßig über 500 Zuseher), unter die Aufsicht der Landesmedienanstalten fallen und dann eine eigenständige Genehmigung benötigen, die aber aktuell unproblematisch erteilt wird.
Neben den datenschutzrechtlichen Fragen ist für katholische Bistümer aber insgesamt die Frage nach der Sinnhaftigkeit von gestreamten Gottesdiensten gegeben. So zitiert etwa das Bistum Augsburg in einem Brief an die Gemeinden Generalvikar Heinrich:
„Es mag Situationen geben, wo es sinnvoll ist, einzelne Gottesdienste im Internet zu streamen, aber es sollte nicht mehr die Regel sein.“ (Quelle: Bistum Augsburg)
Diese eher kritische Position wird allerdings nur von wenigen vertreten. Viele katholische Diözesen sind weiterhin im Netz sehr präsent und entdecken gerade online-Gottesdienste als gute Form, auch mit Außenstehenden neu in Kontakt zu kommen, wie etwa das Erzbistum Berlin, das auf seiner Seite schreibt:
“Es hat sich gezeigt, dass die notwendige Distanzierung nicht zu eine sozialen Entfernung geführt hat, jedenfalls sind viele kreative Ideen umgesetzt worden, die zeigen, dass man sich auch digital ein Seinem Namen versammeln kann.” (Quelle: Erzbistum Berlin)
Entspannung, auch in Freiburg
Die Situation hat sich nun, drei Jahre nach der Novelle des kirchlichen Datenschutzes, merklich entspannt. Mit den etablierten Rechtsauffassungen der kirchlichen Datenschutzaufsichten liegen zumeist praktikable Auslegungen der Regeln des kirchlichen Datenschutzes vor, sodass mittlerweile auch aus Freiburg wieder regelmäßige Livestreams zu sehen sind. Nicht nur dort verwendet man aktuell für Mitwirkende eine Einwilligungserklärung (Einwilligungserklärung Erzbistum Freiburg) und geht für Gottesdienstteilnehmer:innen, die nur dezent gefilmt werden, davon aus, dass diese nach Information stillschweigend einwilligen bzw. die Rechtsgrundlage des Interesses an der Erfüllung kirchlicher Aufgaben ausreichend ist. Live-Streams von Gottesdiensten sind also auch unter Beachtung des Datenschutzes mittlerweile gut möglich, auch wenn für die konkrete Einschätzung der Rechtsgrundlage und das Erstellen und Einholen von Einwilligungserklärungen weiterhin eine gewisse Expertise und Aufmerksamkeit nötig ist.
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